Was war dein größtes Risiko, Julia Hülsmann? Das größte Risiko im Leben ist für mich immer wieder, mein Herz zu öffnen – das heißt sich verletzlich machen – gleichzeitig ist es für mich die einzige Möglichkeit zu leben – man muss das Herz öffnen, um sich berühren zu lassen – auch um andere zu berühren – natürlich scheitert man da immer wieder – man muss es trotzdem immer wieder versuchen – dann wird man auch immer wieder belohnt. Hülsmann/Wogram/Dell spielen am 27. April im LVR-LandesMuseum; Julia Hülsmann auch in der Band von Mia Knop Jacobsen am 19. April in der Bundeskunsthalle 17 blue notes www.PhoenixReisen.com · Telefon 0228/9260-200 Buchbar auch in Ihrem Reisebüro blue sky blue sea Alles basiert auf Zusammenarbeit Wenn man aufmerksam auf Elises Arbeit schaut, dann merkt man schnell, dass Singularitäten in der Stadt nicht allein existieren. Alles basiert auf Zusammenarbeit. Zusammenarbeit heißt, dass unterschiedliche Singularitäten trotz ihrer Verschiedenheit Situationen gemeinsam ins Funktionieren bringen. Aufgrund der Verschiedenheit der Einzelnen, die zusammenwirken, kommt es innerhalb der Arbeit zur Verwandlung der Einzelnen. Diese Verwandlung ist nicht vorgegeben, sie entsteht aus der Zusammenarbeit selbst. Sie ist emergent. Das bedeutet auch, dass Unbestimmtheit zum Gelingen der Zusammenarbeit gehört. Umgekehrt gilt: Wenn man Unbestimmtheit als notwendigen Teil der Gefüge akzeptiert, dann nimmt man auch die Verletzlichkeit aller wahr. Alle sind dann auf die Hilfe anderer angewiesen. Wenn sich Elises turbulente und heterogene Arbeit am besten dazu eignet, von mit Unbestimmtheit durchdrungenen Verschaltungen zu erzählen, ist es an der Zeit, diese Turbulenz zu einem Teil der allgemeinen Wissenspraxis zu machen. In Elises Arbeit kommt eine multiperspektivische Rhythmik zum Ausdruck, eine Alternative zu der linearen Fortschrittserzählung, die noch immer unser Sehen und Wahrnehmen von Welt bestimmt. Jazz: kollaboratives Komponieren Wie wäre es, sich das musikalische Leben wie den Laden von Elise vorzustellen: als Quelle vieler nützlicher Ereignisse und Zusammenkünfte, die aus dem achtsamen und kollaborativen Umgang mit Unbestimmtheit jenseits teleologischer Verwertungslogiken entstehen und eigentlich nur damit zu tun haben, das Zusammenleben der Unterschiedlichen zum Gelingen zu bringen? Man beachte nur die Freuden und Vielfältigkeiten in Elises Laden, die jeden Tag neu zusammenfinden. So stelle ich mir auch den Jazz als Verfahren vor. In ihm basiert alles Wissen auf Übersetzung. In ihm ist das Wissen eben nicht das reine lineare Wissen eurozentristischer Kompositionslehre. Stattdessen tauchen die Wissensbestände der europäischen Kompositionslehre in die Vielheit der kollaborativen Formen des Komponierens von Musik ein, wie sie auf der ganzen Welt zu finden sind. Man hat es hier mit einer Erweiterung der Kompositionsformen zu tun. Sie lässt die westlichen Wissensformen hinter sich, um in der zwischen Menschen und Dingen sich entfaltenden Musikwelt überraschende Artikulationen zu erforschen. Freiheit und Risiko Wenn ich vom konstruktiven Umgang mit der Unbestimmtheit des Risikos spreche, bin ich weit davon entfernt, die neoliberale Ideologie des Risikos zu befeuern. Man sollte an dieser Stelle auf den spezifischen Freiheitsbegriff aufmerksam machen, der die neoliberalen Subjekte letztendlich hervorbringen soll. Sie sind die Unfreisten. Sie akzeptieren die innere Veränderung ihrer selbst, ohne nach den äußeren Bedingungen zu fragen, die diese Veränderung provoziert. Wo sie an die Naturalisierung der Verhältnisse glauben, nehmen sie ihre Unterwerfung gar nicht mehr bewusst wahr. Im Gegenteil: Sie sehnen sich nach Instrumentalisierung – mit ihr und durch sie haben die neoliberalen Subjekte endlich eine Funktion. Als Spielbälle des Marktes sind sie nur in dem Sinn frei, als sie im Set der bestehenden Ordnung Varianten wählen dürfen. Wirkliche Freiheit aber ist, das Set der Ordnung selbst zu befragen – wem dient sie, wer profitiert von ihr? – und gegebenenfalls zu verändern. Ein Brotladen, der nicht zu Ende kommen möchte Was ist das für ein Brotladen, der nicht zu Ende kommen möchte? Es ist ein Ort, an dem jede unbestimmte Zusammenkunft wiederum weitere in Fülle begünstigt. Nichts davon wäre möglich, wenn Elise nicht die Wissensformen der Fabrik, das heißt die Kontrolltechniken der Kommerzialisierung, geschickt, spielerisch und weiträumig umgehen würde. Läden wie der von Elise sind für den eher monopolistisch ausgerichteten Markt des Brotes ein Ärgernis. Ihn aber verschwinden zu lassen ist nicht leicht. Die Menschen, die in der Straße und in dem Viertel wohnen, profitieren in ihrem Zusammenleben davon. Wenn man wie Elise Brot sammelt, reicht es nicht, eins zu finden. Man möchte unbedingt das nächste finden. <
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