24 Was war dein größtes Risiko, Linda May Han Oh? 25 After high-school, I was on track to either studying law, or training to be a classical bassoonist. Instead, I chose to study jazz bass after teaching myself electric bass, and eventually started playing upright bass and moved to New York five years later. My parents thought I was crazy, but I was determined. Here is a page from one of my notebooks where I would keep a record of special moments that inspired me – yes, cheesy I know, but it helps to dream. I’m not usually a dare-devil sports enthusiast, but before we were married, Fabian Almazan and I went on an abseiling trip in the Blue Mountains. It was one of the scariest but thrilling experiences ever – not to mention taking the plunge to marry my best friend, collaborator, and pianist in my band of 12 years. gleichnamigen Programm aus Werken von Nachwuchskomponist*innen zu Gehör bringt. Dafür braucht es das Zulassen und Sich-Aussetzen auf beiden Seiten, bei Publikum wie Musiker*innen. Aus ästhetischer Verletzlichkeit und Sensibilität kann echte ästhetische Erfahrung entstehen Auf der Suche nach solchen Sensibilitäten und Durchlässigkeiten haben Musiker*innen sich auch immer wieder um neue Ausdrucksformen bemüht, wie es kürzlich wieder in der von Brad Pitt produzierten Wayne-Shorter-Dokumentation Zero Gravity nachzuerleben war. Hier wird erzählt, wie sich die Musiker des zweiten Miles Davis Quintetts selbst vorschrieben, „Anti-Musik“ zu spielen, um sich aus gewohnten Bahnen herauszubringen. Dass das Neue immer auch Bezüge zum Alten enthält, ist dabei nicht falsch, verkennt aber die Notwendigkeit, für jede Zeit immer wieder künstlerisch erlebbar zu machen, was gefühlt, gedacht, gemeint wird. Die Zukunft des Jazz war auch Thema beim Jazzforum Darmstadt im September 2023. Viel wurde hier geredet über Genreverständnis und -abgrenzung, alte und neue Utopien, Herausforderungen für die Jazzszene und den Jazzbegriff – schön war aber auch, dass die Musik Teil von alledem war und Musiker*innen Redebeiträge, aber auch ihre musikalischen Beiträge zur Diskussion beisteuerten – hier ist mir vor allem Kirke Karjas Auftritt im Gewölbekeller des Jazzinstituts im Gedächtnis; wegen der spannenden Musik, aber auch, weil Schulkinder aus Darmstadt anwesend waren, die Kunstwerke zu einer unter einem SunRa-Motto stattfindenden Ausstellung im Institut beigesteuert hatten und sich nun aktueller Musik aus diesem Genre aussetzten: ehrlich zuhörend, tuschelnd, auf den Stühlen rumrutschend, aber trotzdem aufmerksam und mittendrin. In der Begegnung zwischen Musiker*innen und Publikum kann die Musik ihre Kraft entfalten Als Publikum besteht meiner Meinung nach die Aufgabe darin, diese suchenden Bewegungen zuzulassen, sich mit auf die Reise zu begeben. Und gerade Festivals sind hier gefragt, Wagnisse zu programmieren, auch mal Unfertiges zu zeigen, Risiken einzugehen. Auch Präsentationsformate gilt es zu hinterfragen und darüber nachzudenken, wie die Musik in der Begegnung zwischen Musiker*innen und Publikum ihre Kraft entfalten kann und nah an die Menschen herankommt. So wird, denke ich, die Musik, der Jazz, die Kunst der Zukunft gemacht – nah am Menschen und mit der Möglichkeit, im (und den) Alltag zu erschüttern. Die Forschung zu Revolutionen zeigt: Mut und Energie zu Veränderung entsteht auch daraus, dass Menschen merken, dass sie nicht allein sind in ihrem Denken, Fühlen und Meinen. Kultur- und Kunstveranstaltungen als gemeinsam Erlebtes, ja, gemeinsam Er-Atmetes, etwas quasi Spirituelles, können – da bin ich unbelehrbare Ästhetin – Orte solcher Erkenntnisse sein. Nicht umsonst waren Kunst und Spiritualität bzw. Religion in der griechischen Antike eng verbunden. Ein „weiter so“ ist in der jetzigen Situation das eigentlich Riskante Auch die ästhetische Erfahrung des Publikums wird doch erst möglich durch diese Sensibilität und Durchlässigkeit, ja Verwundbarkeit der Künstler*innen. Dadurch können wir selbst verwundbar werden und unser Sein befragen. Und das scheint angesichts der multiplen Krisen der Gegenwart auch nötig: Klimakrise, immer mehr Ungleichheit in unserer eigentlich reichen Gesellschaft, Erstarken der faschistischen und rassistischen Kräfte. In ihrem gesellschaftlichen Engagement setzt sich Julia Kadel etwa mit dem Kollektiv „Queer Cheer“ – Teil der Festival-Meta-Bewegung „Future Bloom“ – für mehr Empowerment für diskriminierte Gruppen und Räume mit verschiedenen Perspektiven ein, die das Anderssein zulassen und ein Zeigen der eigenen Verletzlichkeit ermöglichen, die ja letztlich alle betrifft. Ein „weiter so“ ist in der jetzigen Situation das eigentlich Riskante; eine Zukunft scheint nur möglich, wenn alle, gerade aber eine weiße Mehrheitsgesellschaft mit ihren Privilegien sich und ihre Lebensweise befragt. Sängerin und Pianistin Cymin Samawatie beschwört in ihrem Duo mit Milian Vogel im Stück Maa shodane nou be nou ein „neues Wir“. Wie kann dies aussehen? Und: Ein Jazzkonzert als Ort einer solchen Befragung? Lassen Sie sich darauf ein und vielleicht hören Sie ja auch in einem der Konzerte, auf die Sie hier so gehen ,The Shape of Jazz to Come‘ und damit auch ein bisschen die Zukunft des Jazz – und Ihre eigene. < „Festivals sind gefragt, Wagnisse zu programmieren, auch mal Unfertiges zu zeigen, Risiken einzugehen.“ „Sängerin und Pianistin Cymin Samawatie beschwört im Stück Maa shodane nou be nou ein ‚neues Wir‘. Wie kann dies aussehen?“ Was war dein größtes Risiko, Sera Kalo? Sera Kalo singt am 25. April im Post Tower The biggest risk I ever took was moving to Germany after finishing college in New York over 14 years ago. I had been there on vacation, made friends, liked the area, but didn’t really understand what moving to another country meant and how it would affect my life! I was young! There was the „honeymoon phase“ where I still felt like a visitor and didn’t mind being on the „outside“ of society as a „stranger“. But as I started rooting myself more and more in Germany (creating community, finding purpose, building a home for myself), the difficulties I would face as a migrant became very obvious and real. At times, the urge to return to the U.S. surfaced, particularly during visits to my family. The customs officer’s „Welcome home“ greeting upon my return felt like a momentary escape from the perpetual feeling of being a foreigner. Yet, with time, I came to cherish three distinct homes: where my family resides, the music I create, and Germany. The experience I’ve had in Germany helped me develop a true and unique sense of self and independence. The hands-on experience of carving a path for myself, learning to listen to MY voice and instinct, and learning to appreciate myself even when in the shadows of others, were profound moments that made me who I am today. This is something that took years to form and only within the last couple of years have I realized the essence of who I am. Music is my medium so that is where I express myself most. It’s where I am free to say all that I want to say and be all that I am. Being a musician isn’t easy, and being a migrant isn’t easy. I sometimes wonder why society doesn’t emphasize greater value on our virtues as movers, great communicators and pioneers. My only response to that is to keep doing what I do and continue to grow and believe in myself. To answer the question again, the most significant risk I’ve ever taken transcends geographical boundaries — it is the unwavering commitment to believe in myself, a risk I confidently embrace everyday. Linda May Han Oh spielt mit ihrem Quartett am 25. April im Post Tower
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