zettbe: das magazin zum jazzfest bonn 2025

37 Pionier Albert Mangelsdorff 2019 war Wolfgang Muthspiel an Chaksads Album Tabriz beteiligt, vergangenes Jahr hat der 1965 in der Steiermark geborene Gitarrist sein Soloalbum Etudes/Quietudes auf dem kooperativen Label Clap Your Hands veröffentlicht, das Chaksad mit an den Start gebracht hat. Muthspiel, der zuletzt mit seinen unter anderem mit Brian Blade, Ambrose Akinmusire oder Brad Mehldau besetzten Bands für Aufsehen gesorgt hat, spielt darauf auf der akustischen Nylonsaitengitarre eine innig-leise Solomusik. Auch Muthspiel betrachtet Jazz und improvisierte Musik aus Deutschland in ihrer Gesamtheit. „Wenn ich an Jazz aus Deutschland denke, kommt mir als erstes Albert Mangelsdorff als Pionier in den Sinn“, stellt er fest. „Und dann Manfred Eicher mit ECM Records, das von München wesentliche Impulse für den Jazz weltweit setzt. Wenn ich an die Szene denke, bin ich dankbar für die stilistische Vielfalt, wie sie den Musikerinnen und Musikern zu eigen ist, für die erstklassigen Jazzsendungen im Hörfunk – und natürlich für die Radio-Bigbands und den Deutschen Jazzpreis.“ Für den italienischen Trompeter Paolo Fresu ist der Frankfurter Posaunist Albert Mangelsdorff (1928-2005) gleichfalls ein Pionier „An Albert erinnere ich mich besonders, weil ich als junger Musiker die Ehre hatte, mit ihm zu spielen. Jahre später hat er mich dann zum Jazzfest Berlin geholt, als er dort in den 1990erJahren künstlerischer Leiter war.“ Der 1961 auf Sardinien geborene Fresu wird beim Jazzfest Bonn zusammen mit dem französischen Akkordeonisten Richard Galliano für mediterranes Flair sorgen. Als Trompeter folgt er stets der inneren Stimme, als Festivalmacher, der Fresu auch ist, will er dem Publikum die Vielfalt eines zeitgenössischen Jazz nahebringen. Deshalb hat er seine eigene Sicht auf die Festivallandschaft Deutschlands. „Die deutschen Festivals finden oftmals an sehr schönen Orten statt“, sagt er: „Das Publikum ist aufgeschlossen gegenüber unserer Musik und empfängt uns herzlich. Die Spielstätten haben eine hervorragende Akustik und versetzen uns so überhaupt erst in die Lage, unsere Musik auf hohem Niveau zu spielen. Das ist es doch, was wir eigentlich wollen.“ Zum Schluss noch einmal an den Anfang: Was kennzeichnet nun improvisierte Musik in Deutschland? Aus der Distanz gesehen ist das Bild so bunt wie der Blick durch ein Kaleidoskop und so konturiert wie die Draufsicht auf ein Mosaik. Viele regionale „Dialekte“ entwerfen im Zusammenklang ein heterogenes, vielschichtiges Bild. Durch die Möglichkeiten der Improvisation bekommt man mit dem Jazz ein Instrumentarium an die Hand, um mit einer Musik, die aus dem Moment heraus entsteht, die Widersprüche unserer modernen Gesellschaft aufzugreifen und zu analysieren. Weil er aus dem Stegreif bearbeitet, geformt und strukturiert wird, zählt im Jazz nicht das fertige Werk, sondern der Prozess des Entstehens, des Zuhörens und Interagierens. Deshalb ist er womöglich die Kunstgattung per se, um sich über Grenzen hinweg auszutauschen und ins Gespräch zu kommen. ‹ Wo und wie hörst du am liebsten Musik, Eva Klesse? do 22 mai Eva Klesse Quartet LVR-LandesMuseum Am allerliebsten höre ich Musik live und in Farbe; in kleinen Clubs und ganz nah dran. Dafür war meine Zeit in New York ein unglaublicher Glücksfall und ein Geschenk – dort waren Musiker*innen in eben diesem Setting zu erleben, die hier oft nur in großen Konzerthäusern und von Weitem zu hören und zu sehen sind. Diese Art von Live-Musik-Erleben ist aus meiner Sicht einfach unersetzlich und auch der Ursprung und Kern von Jazz und improvisierter Musik. Alles andere kann sich dem nur (an-)nähern. Aufnahmen zeigen immer nur Momente eines speziellen Tages, Raumes, Zustands, usw. Wenn das Live-Erlebnis nicht möglich ist, höre ich Musik gern draußen – mit Kopfhörern beim Spazierengehen, Laufen, Joggen, in der Natur und in Bewegung. Am 24. Mai im Telekom Forum: Sarah Chaksad mit ihrem Large Ensemble Paolo Fresu spielt am 2. Mai mit Richard Galliano im Bonner Münster Wolfgang Muthspiel kommt am 3. Mai ins Collegium Leoninum

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