Vom Wald bis zur Bühne

Monika Roschers musikalischer Hexensabbat

Interview: Fabian Junge

Monika Roscher ist mit ihrer Bigband zurück beim Jazzfest Bonn. Mit ihrem fulminanten, für den deutschen Jazzpreis 2024 nominierten Album Witchy Activities and the Maple Death kommt sie am 1. Mai ins Opernhaus. Aus tanzbaren Grooves und Prog-Rock-Elementen kreiert das Ensemble einen bombastischen Sound, der die Tür zur Zukunft der klassischen Jazz-Großformation aufmacht. Im Interview sprechen wir mit ihr über Hexen, die Entfremdung von der Natur, darüber, wie Mathematik und Komponieren zusammenhängen und über das waghalsige Risiko, eine Independent-Bigband zu leiten.

Monika Roscher

Monika Roscher | © Emanuel Klempa

Im Mai 2023 habt ihr euer neues Album veröffentlicht, seitdem seid ihr damit auf Tour. Wie habt ihr diese Zeit erlebt?

Es war der Wahnsinn, vor allem weil wir so lange darauf hingearbeitet haben. Vor sieben Jahren habe ich begonnen, die Musik zu schreiben. 2019 konnten wir endlich mit den Aufnahmen anfangen, dann hat uns Corona aufgehalten. Danach haben wir noch drei Jahre daran herumgeschraubt, sind bei Electronics und Mixing sehr ins Detail gegangen. Als das Album endlich rauskam, habe ich gemerkt: ‚Jetzt fängt es eigentlich erst an!‘ Wir haben ein eigenes Label gegründet, damit wir für unsere Kunst die komplette Freiheit haben, das war nochmal so ein Abenteuer. Ich habe mich oft gefragt ‚Holy Shit, was mache ich hier eigentlich?‘

Du hast du mir vor dem Interview gesagt, ‚Risiko ist mein zweiter Vorname.‘ Woran machst du das fest?

Wenn man nicht bereit ist, Risiken einzugehen, würde man keine Bigband auf die Beine stellen, über zehnminütige Songs schreiben, die in keine Schublade passen, würde nicht mit 20 Leuten auf Tour gehen und so weiter. Was da alles schief gehen kann!

Aber es macht wirklich Spaß, ich liebe diese Band! Wir kennen uns seit über zehn Jahren und wenn wir uns treffen und spielen, ist das eine Magie, das ist das Allergrößte, dafür gebe ich alles und es lohnt sich jedes Mal, diese Risiken einzugehen.

Auf dem Album dreht sich alles um das Thema Hexen. Wie kam es dazu?

Das fing damit an, dass ich im Wald war, um Pilze zu sammeln. Diese Stimmung! Überall Moose, komische krakelige Äste, und dann kommt da auf einmal eine Lichtung und es wirkt alles total verwunschen. Dann habe ich noch einen besonderen Pilz gefunden, den Hexenröhrling.

Seitdem hat mich das Thema Hexen verfolgt. Nicht nur der magische Aspekt – für mich sind Hexen vor allem Frauen, die tief mit der Natur verbunden waren und ein beeindruckendes Wissen hatten. Auch Pilze finde ich einfach faszinierend. Wie sie sich unter der Erde teils kilometerweit erstrecken, miteinander verweben und mit dem Waldkosmos kommunizieren. All das hat mir eine große Ehrfurcht vor der Natur eingeflößt. Wir modernen Menschen sind davon ja sehr entfremdet. Für mich ist es aber ein beruhigender und inspirierender Gedanke, in diese Naturbelassenheit einzutauchen. Auch die Hexenverfolgungen haben mich beschäftigt. Ich wollte mich also wieder mit der Natur verbinden. Und die Hexen gewissermaßen rächen.

Wie sind diese hexigen Bilder und Ideen Musik geworden? Komponierst du nach einer bestimmten Technik?

Komponieren ist bei mir ein intuitiver Prozess. Oft habe ich eine Vision im Kopf, eine bestimmte Klangvorstellung oder ein Bild. Ein konkretes Beispiel ist das Hexenlachen, das man am Anfang von der Witches-Brew-Suite von den Saxophonen hört. Ich stelle mir dieses Lachen vor, wie es klingt, und probiere so lange am Klavier herum, bis ich das Gefühl habe, ‚das ist es.‘

Welche Rolle spielt die Band in deinem Kompositionsprozess?

Ich bringe ich die fertigen Stücke mit, aber im Prozess probiere ich mit der Band viel aus, wir reden drüber, und so entwickeln sich die Stücke weiter, bis sie irgendwann ganz ausgereift sind. Zum Beispiel gibt es im Song Firebird am Anfang ein Kontrabass-Riff, das mit dem Bogen gestrichen wird. Das ist gar nicht so leicht hinzukriegen. Als ich mir das ausgedacht habe, haben Ferdi – mein Bruder und auch unser Bassist – und ich uns zu einer Session getroffen und daran herumgefeilt, bis es gepasst hat.

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Youtube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

Monika Roscher Bigband – Witches Brew: The Summoning (Official Video)

In deinem Promotext wird eure Musik auch als „Math-Jazz“ bezeichnet. Was genau ist das?

Math-Jazz ist musikalische Tüftelarbeit, das kann schonmal zur Besessenheit werden, über Wochen oder Monate hinweg. Im Stück Witches Brew etwa gibt es ein Bläser-Pattern, dessen Elemente sich über die Zeit hinweg minimal verschieben. Dadurch entstehen ein paar vertrackte Taktwechsel. Damit das gut klingt, müssen Posaunen, Trompeten, Saxophone genau richtig miteinander verzahnt sein. Um das auszurechnen, muss ich dann wirklich den Taschenrechner rausholen. Ich habe insgesamt 18 Möglichkeiten entwickelt, wie das funktionieren kann. Am besten geklungen hat die Nummer elf. Und dann nimmst du eben die Nummer elf und die 17 anderen schmeißt du weg, aber dafür hast du die beste Variante.

Ihr spielt an den verschiedensten Orten – vom Fusion Festival bis zur Elbphilharmonie. Wie reagieren diese recht unterschiedlichen Zuhörerschaften auf eure Musik?

Ich finde unser Publikum richtig toll. Es ist klasse, dass die Konzertbesucher*innen aus allen musikalischen Ecken kommen. Ich mag die Offenheit, die Aufgeschlossenheit und die Bereitschaft, sich mit uns auf einen wilden Trip zu begeben. Es gibt auf jeden Fall was zu erleben bei unseren Konzerten.

Monika Roscher Bigband | mi 1 mai ’24 19 h | Opernhaus

Top